(Auszug)
Mitten im Ozean, schläft bis zur Stunde
ein Ungeheuer, tief auf dem Grunde.
Sein Haupt ruht dicht vor Englands Strand,
Die Schwanzflosse spielt bei Brasiliens Sand.
Es zieht, sechs Stunden, den Atem nach innen,
und treibt ihn, sechs Stunden, wieder von hinnen.
Trutz blanke Hans.
Doch einmal in jedem Jahrhundert entlassen
die Kiemen gewaltige Wassermassen.
Dann holt das Untier tief Atem ein,
und peitscht die Wellen und schläft wieder ein.
Viel tausend Menschen in Nordland ertrinken,
viel reiche Länder und Städte versinken.
Trutz, blanke Hans.
Ein einziger Schrei – die Stadt ist versunken,
und Hunderttausende sind ertrunken.
Wo gestern noch Lärm und lustiger Tisch,
schwamm anderen Tags der stumme Fisch.
Heut`bin ich über Rungholt gefahren,
die Stadt ging unter vor sechshundert Jahren.
Trutz, blanke Hans?
(Detlef von Liliencron, Hardesvogt auf Pellworm)
Die Siedlung Rungholt war mit 2000 Einwohnern für mittelalterliche Verhältnisse groß.
Die Sage berichtet, das das Treiben dort recht zügellos gewesen sein soll. Als ein paar Trunkenbolde dem Pastor übel zusetzten, war es mit der Geduld des Herrn zu Ende.
Rungholt versank in einer einzigen Nacht 1362 in der Nordsee. Man erzählt sich, dass die Glocken des Rungholter Kirchturms bei jedem Sturm zur Mahnung aus der Tiefe des Watts läuten.