Jens Wandt steht im Ruf einer der ersten „Aussteiger“ gewesen zu sein, der ein alternatives Leben kennenlernen wollte. Aber so simpel war es nicht. Jens Wandt war alles andere als ein Aussteiger im heutigen Sinn. Ab 1909 lebte er in einer einfachen Hütte auf der Hallig Norderoog in der Abgeschiedenheit des Wattenmeers und dazu gehört weit mehr als nur auszusteigen, Bis auf die Wintermonate, die er in Husum verbrachte, war er ständig allein auf dem kleinen Eiland. Streng waltete er auf der Vogelhallig. Seine gefiederten Schutzbefohlenen hatten in ihm den denkbar besten Anwalt. Als Krönung seines außergewöhnlichen Lebens gilt die Erhaltung der Brandseeschwalbenkolonie auf Norderoog.
Auf sein Äußeres wie auch auf Umgangsformen legte er keinen Wert. Doch Jens Wandt war selbst in seiner abgewetzten Kleidung eine würdevolle Persönlichkeit! Kein Wunder, dass er damals der meistgemalte und an häufigsten fotografierte Halligbewohner war. 1875 in Dänemark geboren, hatte der Naturfreund Wandt kaum die Schule besucht. Bevor er sich auf der Hallig niederließ, hatte er als junger Mann allerdings bereits alle Meere der Welt befahren.
Ungewöhnlich war auch der Tod von Jens Wandt. Der greise, jedoch noch immer rüstige Vogelkönig kam 1950 im Wattenmeer um. Er, der im Wattenmeer wie kaum ein anderer zu Hause war, musste darin sein Ende finden, während ein Fremder sein Ziel erreichte (s.u.). Ein tragisches Ende des Einsiedlers. Er war so gekommen, wie er es im Frühjahr desselben Jahres geahnt hatte: „Eenmol halt de Woogen mi doch“. Tage nach dieser Tragödie wurde Jens Wandt auf Hallig Hooge bestattet.
Das Ende dieses „Robinsons“ Husum Tageblatt 1950 (Auszug):
Wie wir bereits berichteten, ertrank der seit 40 Jahren als Vogelwärter des Vereins „Jordsand“ auf der Hallig Norderoog tätige 76 jährige Jens Wandt in einem Priel zwischen Hooge und Norderoog. In Begleitung des zurzeit mit Filmaufnahmen beschäftigten Herrn Venzl ging der alter Jens Wandt morgens um zwei in völliger Dunkelheit von seiner Vogelhallig, um einen Besucher aus Rendsburg nach Hooge zu bringen. Letzterer beabsichtigte, gegen vier Uhr mit einem Halligboot zum Festland zu fahren.
Auf dem Rückweg kamen bei bereits aufkommenden Wasser der alte Jens Wandt und Herr Venzl vom Kurs ab. Trotz mehrfachen Abratens durchwatete Wandt einen Priel in der Annahme, dass es eine Rinne sei, die zwischen Norderoog und Hooge verläuft. Herr Venzl ließ sich auf das Unternehmen nicht ein und ging etwa in gleicher Richtung zurück.
Nach kurzer Zeit erblickte er verschwommen bei allmählich aufkommender Helligkeit im Süden die Hallig Norderoog. Im Glauben, dass auch Jens Wandt bald ankommen würde, steuerte er auf die Hütte zu. Jens Wandt kam aber nicht mehr auf seine Vogelhallig zurück. Er wurde von Herrn Venzl dann noch einmal auf der gegenüberliegenden Sandbank gesichtet. Bei einem Gang auf Umwegen nach Norderoog ist Wandt bei einem erneuten Versuch, durch den Priel zu kommen, einem Gehirnschlag erlegen. Am folgenden Tag trieb seine Leiche – wie die seiner Frau vor 34 Jahren – vor der Abbruchkante seiner geliebten Hallig an.